Air Berlin stellt Insolvenzantrag – Flüge aber vorerst sicher

Air Berlin-AirbusAir Berlin hat heute einen Insolvenzantrag gestellt. Die Fluggesellschaft hatte 2016 einen Verlust von weit über 700 Mio EUR eingeflogen und knabbert seit langem an einem sehr hohen Schuldenstand. Der Mitgesellschafter Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hatte immer wieder mit Geld ausgeholfen. Das scheint nun erst einmal zu Ende. Aktuell laufen Gespräche mit der Lufthansa, die wohl einen Teil der Strecken und auch der Flugzeugflotte übernehmen möchte.

Flüge sollen sicher stattfinden

Die Bundesregierung hat sehr schnell einen Kredit/Bürgschaft von 150 Mio EUR freigegeben, mit dem der Flugbetrieb von Air Berlin aufrecht erhalten werden soll. Urlauber und Reisende brauchen also keine Angst haben, dass sie irgendwo festsitzen. Gleichzeitig sollen aktuelle und zukünftige Buchungen sicher sein. Allerdings hat Ryanair, der selbst umstrittene Billigflieger, Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. 100 % sicher ist damit der Weiterbetrieb nicht – hier muss erst Europa entscheiden.

Was sollte man als Reisender oder Kunde machen?

So, wie es bis jetzt aussieht, erst mal gar nichts. Offenbar ist der Bundesregierung daran gelegen, dass mindestens der Urlaubsverkehr noch abgewickelt wird. Damit sollte auch die Lufthansa möglichst viel Zeit gewinnen, Teile von Air Berlin noch planmäßig übernehmen zu können. Pauschalreisen und damit die Flüge, sind sowieso über den Reiseveranstalter versichert. Je nach Bezahlart (Kreditkarte,….) greifen zusätzliche Sicherungsmechanismen. So haben fast alle goldenen Kreditkarten Versicherungen für Reisen. Ob man allerdings jetzt noch Flüge mit Air Berlin für Monate im Voraus buchen sollte, steht auf einem anderen Blatt. Keiner kann sagen, ob, wann und wie die Verhandlungen mit Lufthansa abgeschlossen werden und was dann genau passiert. Die akute Geldnot wird jedenfalls den Service und die Zuverlässigkeit nicht verbessern – selbst, wenn die Mitarbeiter sich bestens einsetzen.

Management

Seit dem ungesund schnellen Wachstum von Air Berlin unter Joachim Hunold hatte AirBerlin immer wieder extreme Geldsorgen. Der schnelle Flottenausbau und viele Strecken wurden auf Pump finanziert. Der 11. September war desaströs für die gesamte Branchen und setzte allen Airlines heftig zu. Gekauft wurden die Deutsche BA, eine ehemalige Tochter von British Airways. Dazu komplett oder in Teilen LTU, Niki, Belair. Dann kam der von der Bahn, dem Druckmaschinenhersteller Heidelberg und später dem Flughafen BER bekannte (oder darf man schon sagen berüchtigte?) Hartmut Mehdorn. Alle schafften es nicht, das Ruder herumzureißen. Fusionsgespräche mit TUIfly platzten, ebenso die Übernahme von Germania. 2007 wollte Air Berlin noch Condor übernehmen. Schon seit 2016 hat Air Berlin eigentlich keine eigenen Flugzeuge mehr, die meisten Maschinen der Flotte sind geleast oder weitervermietet. Genau das ist ein Riesenproblem. Spätestens ab 2019 müssen Leasingverträge anders bilanziert werden – es droht ein Riesenloch in der Endabrechnung.

Der neue Chef, Thomas Winkelmann, wollte Air Berlin massiv umstrukturieren. So sollte sich die Marke auf attraktive Strecken konzentrieren. Viele Maschinen wurden an Lufthansa und Eurowings sowie deren österreichische Tochter Austrian Airlines verleast. Die seinerseits von AirBerlin geleasten Flugzeuge können logischerweise nicht mehr als Sicherheit hinterlegt werden – sie gehören den Leasinggesellschaften. Auch das neue Tarifmodell kam nicht immer gut an. Der Umbau bräuchte mehr Zeit und Geld. Die hat Air Berlin aber nicht mehr.

Air Berlin ist eine Mischung aus Billigflieger und Liniendienst. Die Auslastung war immer problematisch. Mit Aufkommen der „richtigen“ Billigflieger wie Ryanair, Eurowings, Wizz, Easy Jet und anderen, wurde das Tarifmodell meiner Meinung ziemlich wackelig. Der Witz überhaupt: Oft war Air Berlin bei besserem Service und Komfort sogar preiswerter als der vermeintliche Billigflieger Ryanair. So richtig kommuniziert wurde das selten.

Die permanente Geldnot sorgte in der letzten Zeit für viel Ungemach bei den Reisenden. Verspätungen und Ausfälle häuften sich, viele Reisende forderten auch ihr Geld zurück. Zusammen mit den Erstattunsgansprüchen nach europäischem Flugrecht kamen auch hier beträchtliche Summen an Ausfällen zustande.

Kooperation mit Etihad

Mit Etihad wurde 2011 ein sehr finanzkräftiger Partner aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gewonnen. Gemeinsam ausgegebene Flugtickets und die Anschlusstrecken sollten Air Berlin wie auch Etihad stärken. Nun, die Araber haben sich diese Beteiligung einiges kosten lassen. Milliarden zahlten sie für den Betrieb von Air Berlin und bekamen u.a. die Anteile an Niki.

Aussichten

Persönliche Meinung: Lufthansa wird für sich und seine Tochter Eurowings mindestens attraktive Strecken herauspicken. Und sei es nur, um bspw. Ryanair von vielen Flughäfen fernzuhalten. Etihad dürfte kaum Interesse haben, weiter Geld zu investieren. Es kann gut sein, dass sich Lufthansa und Etihad irgendwie über den Schuldenberg von Air Berlin einigen und dann Lufthansa die Fluglinie faktisch übernimmt (vorausgesetzt, das Kartellamt stimmt zu). Nebenrangige Strecken dürften eingestellt werden.

Zurzeit sieht es so aus, als dass der Flugbetrieb erst mal ganz normal oder mit den üblichen kleinen Problemen weiter geht. Die Bundesregierung dürfte ein Interesse haben, alleine aus Gründen der Haftung keinen Passagier sitzen zu lassen. Zudem sind viele Buchungen eh abgesichert. Sei es, über Kreditkartenzahlung, bei Pauschalreisen über den Versicherungsschein des Reiseveranstalters oder meinetwegen sogar teilweise bei Zahlung via PayPal.

Persönlich bin ich so bis 2014 immer gerne mit Air Berlin oder Niki geflogen. Es gab günstige Tickets, einen guten Service und nettes Personal. Oft deutlich besser als bei reinen Billigfliegern oder etwa Fluglinien vom Balkan oder der Türkei.

Aktienkurs

Was den Aktienkurs angeht: Air Berlin hockt auf einem Riesenberg an Schulden. Kann mE sein, dass die Schulden schon mehr wert sind als die ganze Fluggesellschaft. Lufthansa wird meiner Meinung niemals die komplette Schuldensumme übernehmen. Zumal Air Berlin wahrscheinlich auch mit dem 150 Mio Kredit erst einmal weitere Miese einfliegt. Dazu wird wohl ein großer Teil der Belegschaft in der Verwaltung ausscheiden. Wenn Lufthansa die Linie teilweise übernimmt, braucht sie garantiert nicht 3 verschiedene Verwaltungen (Lufthansa, Eurowings, Air Berlin). Was da noch an eventuellen Abfindungen zu zahlen ist, kann ich nicht beurteilen. Wird auf jeden Fall nicht wenig. Wahrscheinlich wird man versuchen, Etihad deutlich an den Schulden zu beteiligen, damit sie endlich Air Berlin los sind. Der Aktienkurs von Air Berlin war eh schon die reine Katastrophe für Anleger. Von ehemals etwas über 20 Euro im Jahr 2007 war das Papier bis heute auf unter einem Euro eingebrochen. Aktuell gab es heute Einbrüche um nochmals bis zu 45 %, die sich am Abend so um 30 % Verlust einpegelten. Air Berlin war seit langem eine Aktie für Zocker, ungefährlicher wird die Situation bei unklarer Lage auch nicht.