Die Bahn ist ein zuverlässiges, pünktliches und komfortables Verkehrsmittel. Außer bei folgenden Störungen: Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Fahrgäste. Im September 2016 habe ich mir für 176,70 EUR ein Monatsticket geholt, für Fahrten zwischen meinem Heimatort Dülken und primär Essen. Nun, mit der Beförderungsleistung ist es meines Erachtens nicht weit her. Dafür erhält das Opfer, Entschuldigung, der Reisende, ein ausgiebiges Unterhaltungsprogramm und Fitnessangebot.

Joggen für den guten Zweck – Anschluss

Fangen wir mit der Morgengymnastik an. Dülken liegt an er Bahnstrecke Mönchengladbach – Venlo, betrieben hier durch die Eurobahn. Hinter Dülken ist die Spur eingleisig. Wenn also ein Güterzug Richtung Venlo durchgeschickt wird, kann kein Personenzug kommen und nach Mönchengladbach und speziell Viersen (wo ich umsteigen muss) durchfahren. Aber auch sonst ist die Verbindung nicht sonderlich vertrauenserweckend. Die theoretische Umsteigezeit von 4 Minuten würde leicht reichen. Würde, wenn die Züge pünktlich wären. In der Praxis müssen die Bahnfahrer sehr oft sprinten, weil gerade mal eine Minute oder weniger Umsteigezeit vorhanden ist. Ältere Menschen haben keine Chance. Und auch nicht die, welche am falschen Ende des Zugs sitzen. Naja, wenn der Regionalexpress RE 11 nach Essen nicht sowieso schon weg ist. Dann darf man mit der Bimmelbahn RB 33 bis Duisburg sämtliche überflüssigen Haltepunkte genießen und sich irgendwie durchschlagen. Die Verspätung wird hierbei garantiert, ebenso ein kleines Fitnessprogramm mit Stepping im grottenhässlichen Duisburger Bahnhof. Man kann natürlich auch den Zug gleich ganz ausfallen lassen:

Auch die Rückfahrt wird oft leutselig gestaltet. Anschlusszug weg, mit Bussen irgendwie weiter. Macht locker 45 Minuten später. Hier sind Bahnkunden dankbar für die teilweise als Ersatz angebotene Unterhaltung. Das Musikrepertoire umfasst die Stilrichtungen Rap/HipHop, Techno und Yalla Yalla. Oder Techno, Yalla Yalla und HipHop/Rap. Oder Yalla Yalla, Rap/HipHop und Techno.

Oder man lässt den Zug auch hier gleich ausfallen. Das hat, neben der Verspätung, noch einen eigenen Reiz. Die Opfer im Bahnhof Essen und Mühlheim haben sich irgendwie nach Duisburg durchgeschlagen. Der RE 11 hat eigentlich zwei Zugeinheiten. Die RB 33 nur eine. Macht also unter dem Strich die Passagiere von knapp 3 Zugeinheiten in einer. Wenn das nicht schön gesellig ist, weiß ichs auch nicht:

Sehr beliebt ist in Essen zudem ein erweitertes Fitnessprogramm für ältere Opfer, äh, Reisende. Wenn der Zug auf Gleis 2 zu spät ist, wird er gerne auf Gleis 10 umgeleitet. Natürlich weiß das keiner im Voraus. Die Bahn hält die Spannung bis zur letzten Minute hoch. Dann, wenn schon lange bekannt ist, dass der Regionalexpress wieder mal zu spät eintrudelt, kommt so 2 – 3 Minuten vor der theoretischen Abfahrt die Änderungsdurchsage. Also, der Startschuss zum großen Rennen um die goldene Ananas der Stadt Essen. Und eins, und zwei, und eins, und zwei………

Das wurde schon wieder mal nix mit der planmäßigen Ankunft in Essen. Siehe:

Freitag, 16.09.2016, die große Party zum Wochenende. Auf der Hinfahrt gibt es kleine Verzögerungen. Der Essener Hauptbahnhof hat einen kompletten Stromausfall. Angeblich durch einen Vogel, der gegen einen ICE-Stromabnehmer geprallt ist. Gleichzeitig legt eine heruntergefallene Oberleitung eine S-Bahn auf einer anderen Trasse lahm. Die Toilette im RE 11 ist komplett versaut, die Spülung funktioniert nicht.

Die Rückfahrt wird ebenfalls „interessant“ gestaltet. Die Bahn mit RE 11 hat bis Viersen über 15 Minuten Verspätung, wodurch der Anschluss nach Dülken weg ist. Plan B ist eine Busverbindung der NEW – vom Bahnhof zum Busbahnhof und dann in die Nähe des Wohnortes. Klappt nicht, also eine knappe Stunde in Viersen sinnlos warten. So macht man aus theoretischen 50 Minuten Fahrzeit mal eben 2:30 Stunden.

Unterhaltungsangebot

Sehr angetan war ich von der beliebten Volkstanzgruppe „Die tollkühnen Radfahrer mit ihren hängenden Unterlippen“. Der erste kommt rein, stellt sein Rad quer und guckt sich verwirrt nach hinten um, wo der Rest bleibt. Der Rest, wie eine Herde Flamingos, guckt sich ebenfalls nach hinten um und gelangt dank des quer gestellten Rades obendrein nicht in den Zug. Nach einigem künstlerischen Gezerre knallen sie fast in die Toilette. Das Publikum ist begeistert, Zugabe! 😉 .

Weiterhin bieten sich diverse Naturschauspiele an. Der ostmediterrane Gehängewipper (A) geht übertrieben in die Knie und versucht, breitbeinig mit kreisendem Gehänge, die Weibchen zu beeindrucken. Dazu kommen gutturale Brunftrufe. Ein Gewinner wird Mufti der Woche. Ähnliches gilt für den postsowjetischen Wank-Gang (B) mit übertriebenem Schwingen der Schultern. Der Sieger erhält den kleinen Putin in Gold als Statue. Der Normalpendler (C) ist im Berufsverkehr die häufigste aber auch die langweiligste Lebensform im Abteil. Er meistert in der Regel die Tücken der Bahn und ist durch jahrelange Abhärtung extrem findig, selbst, wenn ihm die Bahn wieder einmal Fallen im Fahrplan stellt. Auf der Jagd nach Ethanol wird teilweise, besonders in größeren Bahnhöfen, der Bodensucher (D) angetroffen. Dazu kommt der Knöchelschleifer (E), welcher sich erst langsam die moderne Technik als Lebensraum erschließt.

Sehr schön. Dann kann man sich länger im malerischen Bahnhof Essen aufhalten. Wo man doch immer so freundlich per Durchsage auf Trickdiebe aufmerksam gemacht wird………

Was also sollte der todesmutige Abenteurer (Bahnfahrer) mE mit sich führen?

Genügend Getränke
Energieriegel
Smartphone (oder gleich 2, falls man unterwegs zu oft die Verbindungen aktualisieren muss)
Powerbank
Desinfektionstücher
Ohrenstöpsel oder Kopfhöhrer

Extrem-Bahnfahring erfordert evtl. weitere Ausrüstung:

Multifunktionstool
Beruhigungsmittel
Zelt
Klappspaten
Gefechtshelm
Machete

Ok, zwischenzeitlich, also heute, 22.09.2016, gabs noch mehr Entertainment. Als da wäre der übliche, kurzfristige Gleiswechsel – natürlich bei lange bekannter Verspätung:

Tja, dass die Bahn ihrer Zeit voraus ist, kann man nicht behaupten. Ich vertraue da eher auf meine Casio Funkuhr und die Systemzeit des Mobilnetzes….. vielleicht der Grund, weshalb es wieder mit dem Anschluss schief ging?

Und wie wäre es denn mit dieser Kopfstütze? Da möchte man sein Haupt doch gleich waschen…….. oder besser desinfizieren?

Unter dem Strich waren bei 13 Touren, also 26 Fahrten: 2 komplette Zugausfälle. 8 richtig heftige Verspätungen. Öfter mal rennen bei den vielen kleineren Verspätungen. Wo die Bahn die Zuverlässigkeitsmeldungen her nimmt, erschließt sich mir nicht ansatzweise.

Mal stank das Abteil nach Urin, mal der Bahnhof Essen nach Erbrochenem. Einige Mitreisende bespaßen unaufgefordert die Welt. Diverse Verhaltensoriginalitäten reichen bis zum dumpfen und sehr aggressiven Anbaggern von Frauen durch Migrationshintergründler. Ach so, Aufzüge sind auch oft defekt.

Wer das täglich aushält, hat mein Mitgefühl. Einige Bahn-Mitarbeiter sind richtig engagiert, erscheinen mir persönlich aber recht chancenlos gegen die Zustände.

Nachtrag I: Natürlich hats die Bahn auch am 23.09.2016 versaut……

Nachtrag II: Und nun kommen wir zum großen Finale am Montag, 26.09.2016. Man darf dies durchaus als gloriosen Höhepunkt des Bahnfeuerwerks sehen.

Hinfahrt: Zug kaputt in Duisburg, alle Mann raus und irgendwie weiter kommen. Ich habe den defekten RE 11 vom Nachbargleis fotografiert.

Rückfahrt: zu spät

Gleiswechsel

Rappelvoll – statt zwei Zugeinheiten nur eine. Habe ich wohl nicht fotografiert, weil man alle Gesichter unkenntlich machen müsste. Und das waren viele wütende Gesichter.

Und natürlich den Anschluss aufgrund von Verspätung verpasst.

Macht insgesamt bei 30 Fahrten: 2 Komplettausfälle, 10 riesige Probleme mit Verspätungen oder verpassten Anschlüssen und Wartezeit bis über 50 Minuten. Zig mal Stress. Die kleineren Verspätungen so bis 10 oder 15 Minuten sind dabei nicht berücksichtigt.